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Erste medizinische Texte der Germanen – Zaubersprüche, Heilrezepte, Neunkräutersegen
Erste medizinische Texte der Germanen – Zaubersprüche, Heilrezepte, Neunkräutersegen

Erste medizinische Texte der Germanen – Zaubersprüche, Heilrezepte, Neunkräutersegen

 

ALTGERMANISCHE ZAUBERSPRÜCHE, HEILSPRÜCHE

 

Die ersten schriftlichen altgermanischen Zeugnisse stammen aus dem 9. Jhd. Es sind Zaubersprüche, Beschwörungen und sogenannte „Segen“, die zur Heilung verwendet wurden. Sie sind im religiös-kultischen Brauchtum der germanischen Stämme verwurzelt und wurden lange Zeit mündlich tradiert. In den ältesten werden nordische Gottheiten wie Balder, Frija und Wodan um Heilung angerufen. Die später aufgezeichneten Sprüche sind sie bereits meistens mit christlichen Motiven vermischt. 

 

  • MERSEBURGER  ZAUBERSPRÜCHE  
    Sie wurden im 9. Jhd. aufgezeichnet.
    • Der erste Zauberspruch beinhaltet einen Lösezauber von Fesseln
    • Der zweite einen Heilungszauber eines verletzten Pferdefußes
  • STRASSBURGER  BLUTSEGEN 
    Dieser findet sich in einer Handschrift aus dem 11.  Jhd. und soll Blutstillung bei einer Verletzung bewirken
     
  • BAMBERGER  BLUTSEGEN 
    Ebenfalls der Blutstillung bei einer Verletzung dient dieser Segen, der im 12. Jhd. niedergeschrieben wurde.
     
  • BASLER REZEPTE
    Das sind keine weihnachtlichen „Basler Leckerli“ ;)  sondern es sind drei alte medizinische Texte. Zwei von ihnen, das zweite und das dritte Rezept, stellen die ältesten schriftlichen deutschen Medizin-Prosatexte dar!  Sie wurden im 8. Jhd. in Fulda aufgeschrieben.
    Da sie in Basel aufbewahrt werden, erhielten sie den Namen „Basler Rezepte“. 
    H i e r  können die Basler Rezepte nachgelesen werden. Leseempfehlung: Laut lesen!

    • Das erste Rezept, es ist in lateinischer Sprache verfasst, ist ein Rezept zur Fiebersenkung und verwendet neben Schwefel und Pfeffer Kräuter wie Beifuß, Wermut, Sadebaum
    • Das zweite Rezept liegt in althochdeutscher Sprache vor. Es handelt es sich im Prinzip um das gleiche Rezept wie das erste, jedoch mit einigen Abweichungen und Erweiterungen.
    • Das dritte Rezept ist eine Rezeptur gegen Geschwüre, die für Mensch und Tier anwendbar sei.
      Es verwendet u.a. Salz und - wie im nachfolgenden Neunkräuterzauber - Salbe. Auch die in der aktuellen Volksmedizin bei Nagelbettentzündungen verwendete keimtötende Seife ist dabei sowie, nach altrömischer Tradition, Schleim der Austernschale.

 

 

ANGELSÄCHSISCHER NEUNKÄUTERSEGEN  bzw.  NEUNKRÄUTERZAUBER   

 

Dieser ausführliche, dreiteilige Kräuterzauber ist ein Werk der altenglischen Dichtung über die Wirkung und Zubereitung von neun Heilkräutern. Der Neunkräutersegen wurde zuerst mündlich weitergegeben, im 11. Jahrhundert dann als Teil der altenglischen Schriftensammlung Lacnunga (altenglisch "Heilmittel") aufgenommen. In altenglischer Sprache beschreibt er "die neunerlei Kräuter, die Wotan als magische Medizin benutzt." ("Weihnachtsbaum und Blütenwunder", Rätsch, Müller-Ebeling)

Altenglisch war bis ins 12. Jhd. die Sprache der Nordgermanen (Angeln, Sachsen und Jüten). Es ist eine eng mit dem Friesischen und Niederdeutschen verwandte westgermanische Sprache und gehört der Gruppe der germanischen Sprachen an.

 

 1. Teil – Die Kräuterbeschwörung

Neun (heilige Zahl!) Pflanzen werden der Reihe nach angesprochen und ihre Wirkung gegen Gift und Ansteckung beschworen. Es sind Heilkräuter, die ihre Bedeutung bis in unsere Zeit nicht verloren haben!

  • An erster Stelle wird als Machtwurz der Beifuß angerufen, der als ältestes Kraut angesprochen wird. 

„Erinnere dich, Beifuss, was du verkündet hast,
was du bekräftigt hast bei der großen Verkündung.
"Una" , dem Urgott angehörig, heißt du, ältestes Kraut.
Du hast Macht für 3 und gegen 30,
du hast Macht gegen Gift und gegen Ansteckung  … “

Dem Beifuß folgen: 

 

2. Teil – Der Spruch

Im zweiten Teil des Textes wird in Form eines Zauberspruches erzählt, wie Wodan (Odin) eine Schlange in neun Stücke zerhieb, und es werden in formelhaften Wiederholungen alle Krankheiten und Gifte aufgezählt, gegen die die genannten Kräuter helfen sollen.

 

„Eine Schlange kam gekrochen, zerriss einen Menschen;
da nahm Wodan 9 Ruhmeszweige,
erschlug da die Natter, dass sie in 9 Stücke zerbarst.
dass sie niemals mehr ins Haus kriechen wollte.
Nun haben diese 9 Kräuter Macht gegen neun böse Geister,
gegen 9 Gifte und gegen neun ansteckende Krankheiten …
… gegen das braune Gift, gegen das karminrote Gift,
gegen Schlangenblattern, gegen Wasserblattern,
gegen Dornblattern, gegen Distelblattern, …“

 

 

3. Teil – Herstellung und Anwendung des Heilpflanzenrezeptes:

Der dritte und letzte Teil des Textes ist eine Anleitung zur Zubereitung der Heilsalbe und deren genauen Anwendung:

 

„ … Stosse die Kräuter zu Staub,
vermenge sie mit  Seife und mit dem Saft des Apfels.
Mache einen Brei aus Wasser und aus Asche,
nimm Fenchel, koche ihn in dem Brei
und erwärme es mit Ei-Gemisch, wenn er die Salbe auftut,
sowohl vorher als nachher.
„…. Er singe diesen Zauberspruch über jedem dieser Kräuter,
3 Mal bevor er sie bearbeitet und
über dem Apfel ebenso;
und er singe dann dem Mann in den Mund und
in beide Ohren und auf die Wunde den gleichen Zauberspruch,
bevor er die Salbe auftut.“

 

 

Anmerkungen: 

  • Die angeführten Textstücke des Neunkräutersegens wurden dieser Website entnommen. Hier wird auch erklärt, dass von den neun Kräutern vier sicher identifiziert wurden, nämlich Beifuß, Wegerich, Kerbel, Fenchel. Bei den restlichen fünf werden Schaumkraut, Brennnessel, Heilziest, Kamille und Wildapfel in Erwägung gezogen. Sie finden auf der erwähnten Website zusätzlich ergänzende Erläuterungen und weitere Zaubersprüche.
  • Die folgenden Pflanzenfotos zeigen die wahrscheinlichen 9 Kräuter des Neunkräutersegens: