Wilder Fenchel bzw. Bitterfenchel
Ihn trifft man kultiviert als medizinisch wirksamen Bitterfenchel in Gärten und oft auch ausgewildert in den Ländern rund um das Mittelmeer in Schutt-Unkrautgesellschaften und an Weinbergsrändern an. Gelegentlich stößt man sogar in mitteleuropäischen Weinbaugebieten und anderen ihm zusagenden Kleinklimata und Standorten als eingebürgerten Neophyten auf ihn.
Worin unterscheidet sich der Bitterfenchel vom Gewürzfenchel?
Gleich vorweg, die Früchte des Bitterfenchels enthalten mehr bitteres, antimikrobielles, belebendes Fenchon, die des Gewürzfenchels enthalten mehr entkrampfendes, schleimlösendes Anethol:
- Der Wilden Fenchel wird häufig als "Bitterfenchel" bezeichnet, denn sein ätherisches Öl enthält im Unterschied zum Gewürzfenchel (="Süßfenchel") 12 - 25 % bitter und kampferartig schmeckendes Fenchon, der Süßfenchel nur 1 %.
Fenchon wirkt
- wachstumshemmend auf Bakterien und Pilze
- belebend auf das menschliche Zentralnervensystem, wie viele Bitterstoffe
- Anethol wiederum, aus dem das ätherische Öl des Bitterfenchels bis zu 75 % besteht, ist zu einem noch höheren Prozentsatz im ätherischen Öl des Gewürzfenchels (Süßfenchel) enthalten, nämlich zu 95%. Es ist für die Süße im Geschmack und für das klassische Anisaroma zuständig.
Anethol wirkt
- entkrampfend auf die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Trakts, der Gallen- und Harnwege, der Bronchien und der Gefäße.
- In der Lunge wirkt Anethol zudem schleimlösend und das Bronchialsekret hinausbefördernd.
- Wird Fenchelöl unter Lichteinwirkung gelagert, kann aus Anethol unter Umständen „Photoanethol“ mit östrogenen Eigenschaften entstehen. Darum Fenchöl Kindern nur 2 Wochen hindurch verabreichen!
Bitterfenchel in der Küche
Gleich wie der ihm sehr ähnliche Gewürzfenchel bildet er keine essbare, oberirdische Knolle, doch schätzt man sein frisches, filigranes Laub, das nach Anis schmeckt, und vor allem seine reifen Früchte, die sich aus den gelben Doldenblüten entwickeln. Beides wird zum Würzen von Speisen und Getränken verwendet.
- Sein Laub und seine Blüten werden roh über Salate, Gemüsegerichte, Suppen, Käse und Fisch gestreut. Kochen würde das Aroma zerstören.
- Die Früchte des Wilden Fenchels schmecken, wie sein weiterer Namen „Bitterfenchel“ andeutet, durch ihren hohen Gehalt an Fenchon bitter-süß, aber auch aromatisch würzig. Sie werden u. a. zum Würzen von Würsten, Brot und eingelegten Weintrauben verwendet.
Medizinische Verwendung des Bitterfenchels
Der Wilde Fenchel wurde bereits in der Antike medizinisch verwendet. Dioskurides schrieb in seiner großen Heilmittelkunde „Materia Medica“, dass sowohl Ägypter als auch Gallier und Römer ihn kennen und benennen würden. Die letzteren, so schrieb er, nennen ihn Foeniculum erraticum. Er selbst nannte ihn im Unterschied zum Süßfenchel, den er mit Marathon bezeichnet, Hippomarathron.
Dioskurides berichtet Folgendes über die medizinische Verwendung des Bitterfenchels: „Das Hippomarathiron … ist wilder Fenchel, gross. Er trägt einen Samen ähnlich dem Kachrys; die Wurzel darunter ist wohlriechend, getrunken heilt sie Harnzwang. Im Zäpfchen eingelegt befördert sie die Menstruation. Der Same und die Wurzel, wenn sie getrunken werden, stellen den Durchfall, helfen gegen den Biss giftiger Thiere, zertrümmern den Stein und vertreiben die Gelbsucht. Die Abkochung der Blätter als Trank befördert die Milchabsonderung und reinigt die Frauen nach der Geburt.“
- Ein die Zeiten überbrückender Einschub:
Dioskurides empfahl den stillenden Müttern, Tee aus Fenchellaub des Wilden Fenchels (= Bitterfenchel) zu trinken. - Auch heute trinken manche stillenden Mütter, im Unterschied zum Arzneitee, der in der Regel nur über drei Wochen konsumiert wird, über einen langen Zeitraum täglich literweise Fencheltee aus Fenchelfrüchten, um dem Säugling die entblähende Wirkung des Fenchels zukommen zu lassen. Wie bei allem, ein übertriebener Konsum kann u. U. schaden: In Tierstudien mit Mäusen, die über 12 Monate mit purem Estragol (Methylchavicol), das sind Stoffe, die in Spuren auch in Fenchelfrüchten enthalten sind, traktiert wurden, wurden Lebertumore beobachtet. „Diese Ergebnisse können jedoch nicht auf die Verabreichung von Fenchelfrüchten bzw. Fenchelöl übertragen werden.“ (Quelle) Pflanzen enthalten eine Vielfalt an Stoffen, die auf eine durchwegs noch unerforschte Weise zusammenwirken, sich verstärken oder abschwächen. Und Pflanzen lehren uns auch: Möglichst viel ist nicht gleich möglichst gut! Vielleicht als Stillende die Menge des Fencheltees reduzieren, oder, wenn es möglich ist, doch auf Fenchellaub umsteigen?
Kaiser Karl d. Große, der um das Wohlergehen seiner Untertanen sehr besorgt war, nahm den Fenchel jedenfalls damals in seine Landgüterverordnung auf. Fortan gedieh er in den Gärten der Gutshöfe und in denen der Klöster. Interessierte Nonnen und Mönche hatten über die Handschriften Zugang zum Heilwissen der Antike , auch über das des Fenchels. Schon bald zählte er zu ihren wichtigsten Pflanzen im Garten. Vom Kloster aus wanderte der Fenchelsamen mit dem mitgegebenen Wissen in die umliegenden Dörfer.
Auch Hildegard von Bingen schätzte den Fenchel und empfahl ihn vor allem bei Heiserkeit, Schnupfen, Magenbeschwerden, schlechtem Atem, bei Lungenleiden, zur allgemeinen Stärkung und – neu, aber dank Fenchon im Fenchel richtig, wie die Wissenschaft bekundet - bei depressiven Verstimmungen. „Wie auch immer er gegessen wird, macht er den Menschen fröhlich und vermittelt ihm angenehme Wärme und guten Schweiß und eine gute Verdauung.“ (Physica, Causae et Curae)
Bitterfenchel heute
Bitterfenchel wird auch heute noch als Gewürz und Arznei gesammelt und, sowohl in Hausgärten als auch professionell im großen Stil, angebaut. Er wird benötigt, um daraus die beiden Inhaltsstoffe Fenchon (für die Kosmetikindustrie) und Anethol (für Kosmetikindustrie, Spirituosenhersteller, Lebensmitteltechnologie) zu gewinnen und um Arzneidrogen für den Verkauf herzustellen: Fenchelfrüchte, Pulver, ätherisches Öl (= Foeniculi amari).
Wissenschaftliche Untersuchungen von Kommission E, ESCOP und HMPC bescheinigen sowohl dem Süßfenchel als auch dem Bitterfenchel folgende Wirkungen:
spasmolytisch (krampflösend)
karminativ (entblähend)
schwach antimikrobielle (= wirksam gegen Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Hefen)
Erhöhung der mukoziliären Aktivität ( = Selbstreinigungsmechanismus der Bronchien fördernd)
Medizinische Zubereitungen:
- Fencheltee kann aus Blättern und Früchten („Samen“) des Bitterfenchels gebraut werden, doch schmeckt er aus Süßfenchel ( = Gewürzfenchel ) zubereitet angenehmer. Zubereitung siehe dort!
- Fenchelfrüchte direkt anwenden: Bei Verdauungsbeschwerden wie Blähungen und Krämpfen, denen keine ernsthafte organische Erkrankung zugrunde liegt, sind ein halber bis ein ganzer Teelöffel Fenchelfrüchte (oder Kümmel), die direkt in den Mund genommen, zerbissen und geschluckt werden, eine schnelle Hilfe. Sie gehören in jede Reiseapotheke!
- Ätherisches Fenchöl wird sowohl aus Süßfenchel als auch aus Bitterfenchel gewonnen.
- Verdünntes ätherisches "Fenchelöl Süß" aus Foeniculum vulgare dulce empfiehlt sich als Massageöl.
- Ätherische Öle aus Bitterfenchel - "Bitterfenchelöl" (Foeniculi amari fructus aetheroleum) und "Bitterer-Fenchel-Kraut-Öl" (Foeniculi amari herbae aetheroleum) - werden verdünnt für medizinische Zwecke eingenommen. Ihre Zusammensetzung ist im Europäischen Arzneibuch festgelegt.
- Fenchelsirup und Fenchelhonig enthalten laut „Pschyrembel Naturkunde“ 0,5 % äth. Fenchelöl des Bitterfenchels (= Foeniculi amari). Fenchelsirup und Fenchelhonig werden vor allem in der Kinderheilkunde in der Tagesdosis von 10 – 20 g bei Verdauungsbeschwerden und Katarrhen der oberen Atmungswege gerne eingesetzt, sollten aber nicht länger als 2 Wochen angewendet werden.
- Fencheltinktur kann eine schnelle und wirksame Hilfe bei Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Völlegefühl und Aufstoßen sein. Tagesdosis für Erwachsene: 5 – 7,5 g. ( Bemerkung: 1 Liter Wasser wiegt 1000 g, 1 Liter Alkohol 60% wiegt rund 900 g. Das ergibt also 2 Teelöffel Fencheltinktur 60 % als Tagesdosis, und das zeitlich begrenzt auf 2-mal 3 Wochen mit einer Woche ohne Tinktur als Puffer dazwischen.) Für die Einnahme kann die Tinktur mit Wasser vermischt werden.